Manchester by the Sea ist ein hübscher Ort in Neuengland. Der Fischfang bestimmt den Alltag der bodenständigen Bewohner. Einzelgänger Lee (Casey Affleck) muss nach dem Tod seines Bruders (Kyle Chandler) wieder zurück in seine alte Heimatstadt. Es ist Winter und eisig kalt. So kalt, dass man nicht einmal ein verdammtes Loch in die Erde schlagen kann, um den Bruder zu beerdigen. Nebenbei muss er sich um seinen Neffen Patrick (Lucas Hedges) kümmern, den er ständig zu seinen zwei Freundinnen fahren muss. Lee wäre viel lieber woanders und vor allem eines: alleine. Als er erfährt, dass sein Bruder ihm die Vormundschaft von Patrick vermacht, kann er es fast nicht glauben. Gerade er. Da beginnt ein Rückblick, der Schreckliches offenbart. Schlimmer, als man es sich als Zuschauer erwartet hätte. Man beginnt zu verstehen, dass Lee kein Einzelgänger ist, sondern ein gebrochener Mann, der trotzdem versucht alles richtig zu machen. Der deswegen versucht, es richtig zu machen.
Kenneth Lonergans „Manchester by the Sea“ ist eine Wucht: echt, tiefsinnig, lustig, dramatisch aber niemals aufdringlich. Kein Hollywood-Drama bei dem Tränen fließen, sondern reale Emotionen mit dem nötigen Abstand eingefangen werden. Als Lee seinen Neffen über den Tod seines Bruders informiert, ist die Kamera weit weg. Man versteht nicht, was gesagt wird, aber man versteht. Ohne Pathos, dafür mit ganz viel Mitgefühl für die Charaktere. Casey Affleck spielt in „Manchester by the Sea“ die Rolle seines Lebens – als wäre sie ihm auf dem Leib geschneidert. Er und Michelle Williams brillieren in der Szene, als ihre Charaktere sich zufällig in der Stadt treffen. In dieser Szene steckt so viel Gefühl und Schmerz, dass man sie lange nicht vergessen kann. Auch Lucas Hedges als gefühlvoller, sexgesteuerter Teenager hinterlässt Eindruck. Der Film würde jeden Oscar verdienen.
Zeit heilt nicht alle Wunden. „Manchester by the Sea“ ist herzzerreißend und an den richtigen Stellen absurd lustig. Ein Film, den man nicht so schnell vergessen wird.
