„The Imitation Game“ von Morten Tyldum ist neben „Wild“ und „The Theory of Everything“ das dritte brave Bio-Pic, dass ins Oscar-Rennen geschickt wird – und wohl auch das beste…
Alan Turing (Benedict Cumberbatch) ist wie viele Mathematik-Genies ein Outsider. Während des zweiten Weltkriegs wird er beauftragt, mit (s)einem Team den Enigma-Code der Nazis zu entschlüsseln. Streng geheim natürlich, weder Freunde noch Angehörige dürfen von der Tätigkeit erfahren. Doch Turing kommt schnell darauf, dass es wohl keinem Menschen gelingen wird, den Code zu brechen, einer Maschine hingegen schon. So vergehen Jahre und Turing bastelt an seiner Maschine, die zu Beginn nicht wirklich zu funktionieren scheint. Erst ein kleiner Hinweis bringt Turing und das Team auf eine Idee, wie der Enigma-Code entschlüsselt werden könnte. Tatsächlich wird der Code eines Nachtens in der berühmten Hut 8 in Bletchley Park entschlüsselt.
Der Krieg wurde somit um zwei Jahre verkürzt. Nach Kriegsende wurden die – bis in die 70er Jahre unbekannten – Codeknacker in ihr altes Leben geschickt. Doch das Privatleben von Turing wurde ihm in der damaligen Zeit zum Verhängnis…
Keine Frage, die Geschichte von Alan Turing ist perfekter Leinwandstoff und sehr oscar-worthy. Benedict Cumberbatch kann wirklich alles spielen. Wahrscheinlich würde er selbst als Eck-Zimmerpflanze glaubwürdig sein. Wobei man in „The Imitation Game“ nie ganz vergisst, dass Cumberbatch auch Sherlock und Dr. Frankenstein war. Leichte Übung also für den beliebten Engländer. Keira Knightley ist eine ebenso gute Schauspielerin und stellt im Film die Mathematikerin und Kurzeit-Verlobte von Turing, Joan Clarke, dar. Eine ebenso leichte Übung für sie. Daneben stechen Matthew Goode und Namensvetter Matthew Beard heraus. Kurz: das Schauspiel-Ensemble ist top und sehenswert.
Die Geschichte von Turing ist allerdings sehr brav angelegt. Ich rege mich oft über zu lange Filme auf, doch hier hätten 15-20 Minuten länger nicht geschadet. Denn als das ganze Codebreaking-Drama vorbei ist, fängt Turings wirkliches Drama erst an. Turing wurde 1952 wegen „grober Unzucht und sexueller Perversion“ angeklagt. Damals war Homosexualität noch strafbar und Turing hatte die Wahl zwischen Gefängnis oder Hormontherapie. Er entschied sich für die „Therapie“ und musste mit all den Nebenwirkungen leben. 1954 starb Turing an einem Zyanid vergifteten Apfel. Selbstmord.
Wie wichtig Turing für die Herstellung von Computern und künstlicher Intelligenz war, hatte er nicht erfahren dürfen. Die Queen begnadigte Turing erst 2013! 13 Jahre nachdem britische Bürger darauf drängten, Turing zu rehabilitieren, über 60 Jahre nach seiner Verurteilung. Was für eine Schweinerei. Es sind die letzten Minuten des Films, die für mich sehr emotional waren, ich hätte mir gewünscht, hier noch etwas mehr Gewicht auf „das Leben danach“ zu legen. Doch es ist das erste Hollywood-Drehbuch von Graham Moore, da kann man vielleicht noch ein Auge zudrücken.
„The Imitation Game“ ist ein guter Film, spannend und humorvoll, emotional doch nie erdrückend.
Ich schreibe diese Zeilen auf einen Laptop, der einem angebissenen, leuchtenden Apfel als Logo hat (Zufall?), auf einem Gerät, dass mit Hilfe von Turing erfunden wurde, in einer Welt, in der Homosexualität oder freie Meinungsäußerung in Teilen der Welt noch immer strafbar sind. Soll mir mal einer erklären, dass dieser Film nicht wichtig oder die Thematik veraltet ist…
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