Was war das doch 2008 für eine Aufregung! Ein Buch über ein Mädchen mit ekeligen Angewohnheiten. Intimrasuren, Hämorrhoiden, Analfissuren, Tampons, Körpersäfte. Nichts wurde ausgelassen. Hinter den angeblichen Grausigkeiten steckt jedoch eine Geschichte über ein verstörtes Mädchen mit einer tragischen Familiengeschichte und eine Auflehnung gegen den heutigen Hygiene-Wahn.
Durch eine Analfissur, herbeigeführt durch rasieren, findet sich die 18-jährige Helen (Carla Juri) im Krankenhaus wieder. Dort scheint sie sich eigentlich ganz wohl zu fühlen und erzählt dem Krankenpfleger Robin (Christoph Letkowski) ihre Sex-Abenteuer inklusive Vorlieben. In stillen Momenten denkt sie an ihre eigene Familiengeschichte und will ihre in Scheidung lebenden Eltern wieder zusammenführen. Doch mit der Zeit kommen auch frühere Erinnerungen wieder hoch, die sie schon längst verdrängt hatte…
Wer braucht eine Verfilmung über ein Mädchen, dass sich gerne mal auf versiffte Toiletten setzt und ordentlich drauf rumrutscht oder aus dem Arsch blutet? Gegenfrage: Wer braucht Filme über Menschen, die sich gegenseitig die Köpfe wegschießen? Okay. Ich weiß nicht ob die Menscheit wirklich auf die Verfilmung von „Feuchtgebiete“ gewartet hat. Andererseits geht es für mich im Roman sowie im Film um etwas ganz anderes: um eine Diskussion über Tabus, die eigentlich gar keine sind. Es geht um Depressionen in der Familie, um den Umgang mit dem eigenen Körper, um seelische Wunden. Das tritt bei Analfissuren, Tampon-Tauschorgien, Masturbations-Fantasien und Fäkalien-Zwischenfällen natürlich in den Hintergrund. Trotzdem ist „Feuchtgebiete“ ganz und gar nicht billig, sondern witzig, herzlich, traurig und natürlich nackig, aber nie voyeuristisch.
„Feuchtgebiete“ von David Wnendt ist besser und warmherziger als das Buch, mit einer fantastischen Carla Juri als Helen. Also scheißt’s euch nix und traut euch, den Film anzusehen.
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